Blutsverwandtschaften nach dem kanonischen Recht - anschaulich gemacht an Beispielen

Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt sich der Grad der Verwandtschaft nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. Das ist in § 1589 BGB definiert. Nach dieser Definition sind Eltern und Kinder Verwandte ersten Grades (eine vermittelnde Geburt); Geschwister, Großeltern, Enkelkinder sind im zweiten Grad verwandt (zwei vermittelnde Geburten) etc.

Aber die in den katholischen Kirchenbüchern eingetragenen Eheschließungen unterlagen (und unterliegen) dem kanonischen Recht, also dem Recht der (katholischen) Kirche. Und die kirchliche Zählung der Grade richtet sich nach der Zahl der Generationen (Zeugungen), die zwischen dem gemeinsamen Ahnen(paar) und jedem der beiden Ehewilligen vorliegen.

Das kanonische Recht hat eine Dispens - genau: eine Dispens vom Ehehindernis der Blutsverwandtschaft x-ten Grades - vorgeschrieben bis einschließlich zum 4. Verwandtschaftsgrad. Der erste Grad der Blutsverwandtschaft (Bruder und Schwester oder auch Vater und Tochter bzw. Mutter und Sohn) wird niemals dispensiert, wohl aber der 1.-2. Grad, der zwischen Onkel und Nichte vorliegt. Wenn auch nur bei einem der beiden Brautleute der zweite Grad der Blutsverwandtschaft gegeben war, musste päpstlicher Dispens (Ap.D, Apostolische Dispens) eingeholt werden. Der 3. und der 4. Grad konnten vom Generalvikar dispensiert werden.

Verwandtschafts-Angaben bei Heiratseinträgen können durchaus eine Hilfe für die Familienforschung sein. Blutsverwandtschaft im dritten Grad bedeutet nämlich: mindestens ein Urgroßelternteil des Bräutigams ist identisch mit einem Urgroßelternteil der Braut; Blutsverwandtschaft im 4. Grad bedeutet entsprechend: in der Ahnentafel der beiden Ehewilligen taucht mindestens ein gleicher Ururgroßelternteil auf.

Nehmen wir die Angabe "cons: 3 gr" o. ä. Sie ist die Abkürzung des Satzes "... obtenta dispensatione in tertio gradu consanguinitatis". Auch "cum dispensatione 3: gradu affinitatis" ist manchmal zu finden. Bei so lautenden Einträgen waren die Brautleute im 3. Grad miteinander verwandt. Angenommen, die Kirchenbücher lassen eine Nachforschung nur bis zu den Großeltern zu, d. h. ältere Einträge sind nicht (mehr) vorhanden, dann gilt (sofern dem Kirchenbuchführer, also in der Regel dem Pfarrer, kein Fehler unterlaufen ist, was allerdings immer wieder vorkommt und die Sache in der Praxis meist etwas komplizierter macht):

a) Wenn unter den 4 Großeltern des Bräutigams ein Name identisch ist mit einem Namen der 4 Großeltern der Braut, dann müssen diese beiden Personen (wegen "cons 3 gr") Geschwister sein. Fehlte die Angabe über die Blutsverwandtschaft, wäre deren Verwandtschaft offen.

b) Wenn bei "cons 3 gr" kein Name identisch ist, dann befindet sich in den beiden Großelterngruppen jeweils eine Person, die miteinander Stiefgeschwister sind (über eine gemeinsame Mutter).

"cons 3/4 gr" bedeutet, dass zwischen den beiden gemeinsamen Vorfahren eine Generationenverschiebung vorliegt. Im Kirchenbuch würde der Eintrag etwa lauten: "... obtenta dispensatione in tertio gradu consanguinitatis, collateralis in aequali altingente quartum". In diesem Fall ist ein Urgroßelternpaar/-teil des einen Ehewilligen identisch mit einem Ururgroßelternpaar/-teil des anderen.